Mit 100 immer noch ein Energiebündel
Mit 100 immer noch ein Energiebündel
Montags geht sie gerne ins Sportstudio. Erst steigt sie auf das Trimmrad, dann auf das Laufband und dann macht sie ein wenig Workout für die Armmuskulatur. Drei Tage in der Woche steht Tennis, Damen-Doppel, auf dem Übungsplan. Das Wochenende jedoch ist jener Sportart vorbehalten, die ihr über die Jahre zur liebsten geworden ist: Golf. Dieses Fitness-Programm ist ja erst einmal nichts besonderes. Bis man das Alter der Dame erfährt, um die es hier geht: Lieselotte Massberg-Stahl hat im November ihr einhundertstes Lebensjahr vollendet und wurde beim offiziellen Saisonabschluss des Golfclubs Isarwinkel unter rauschendem Beifall der Mitglieder von Präsident Stefan Hartmann mit einer Laudatio, Glückwünschen und einem opulenten Blumenstrauß bedacht.
Lieselotte Massberg-Stahl befindet sich auf der Zielgeraden eines Lebens ohne materielle Nöte, aber keineswegs ohne Sorgen. Ihr erster Ehemann etwa ließ sein Leben im II. Weltkrieg im Afrika-Feldzug. Ihren zweiten Ehemann hat sie nun schon um zehn Jahre überlebt. Ihm hat sie zu verdanken, dass ihr Lebensmittelpunkt schon seit 1962 nicht mehr Frankfurt, sondern Weißach unweit des Tegernsees ist. Er hatte bei einer Kur in Bad Wiessee Gefallen am Tegernseer Tal gefunden und auf einen Umzug gedrängt. Im Haus in Rottach-Egern, das sie einst bewohnte, leben nun Tochter und Schwiegersohn. Sie selbst hat sich eine Wohnung genommen, lebt alleine und versorgt sich selbst: „Ich wollte unbedingt selbständig bleiben“, sagt die Jubilarin. Dazu gehört auch, dass sie nach wie vor sehr gerne in ihren roten Honda-Flitzer steigt. Sie sei eine „ziemlich flotte Autofahrerin“, versichert sie. Zum Isarwinkler Saisonabschluss hat sich das zierliche Energiebündel dann aber doch lieber chauffieren lassen: „Nachts Auto fahren ist mir ein wenig unheimlich.“
Als Tochter eines Diplomaten, der häufig versetzt wurde, ist Lieselotte Massberg-Stahl in der Welt herumgekommen. Aufgewachsen ist sie überwiegend in Spanien. Und die Affinität zum Süden hat sie nicht mehr abgelegt. So betrieb sie mit Ehemann Nummer zwei ein Hotel an der Côte d’Azur. Und als Ruheständler verbrachte das Paar gerne den Sommer am Tegernsee und den Winter in Monaco.
Der Sport war – und ist – eine Konstante im Leben der Hundertjährigen. „Bewegung ist wahnsinnig wichtig“, findet sie und ist regelmäßig auf der Isarwinkler Driving Range, dem Übungsgelände, zu finden, wo sie an ihrer Schlagtechnik feilt. Trotz hohen Alters ist sie mit Ehrgeiz bei der Sache. Es ärgert sie richtig, wenn der Ball auf dem Grün beim Putten wieder mal so knapp, sie verdeutlicht mit Daumen und Zeigefinger, so knapp am Loch vorbei rollt. Zu Ruhm, Titel und Ehre hat sie es allerdings im Tennis gebracht, das Massberg-Stahl, lange Zeit fast wie einen Beruf ausgeübt hat. Zu ihrer sportlichen Vita gehören unter anderem Welt- und Europameister-Titel. Errungen zwischen 1975 und 1980 im Damen-Doppel. Ihre Partnerin von damals hat sie – wie so viele weitere Weggefährten – längst überlebt. Dann und wann schreibt die Unverwüstliche Artikel für eine Tennis-Zeitschrift.
Seit zehn Jahren schon spielt Lieselotte Massberg-Stahl Golf beim GC Isarwinkel. Präsident Stefan Hartmann ist von seinem ältesten Mitglied regelrecht begeistert. „Sie ist so lebensbejahend, so unglaublich vital. Und sie spielt wirklich noch immer richtig gutes Golf. Ihre koordinativen Fähigkeiten sind top, und sie trifft mit dem Driver echt gut.“ Sie freue sich schon jetzt auf die neue Saison im kommenden Jahr, sagt die Hundertjährige, die sich gerade neue Golfschuhe gekauft hat. Bei der Frage nach nennenswerten Erkrankungen muss das zierliche Energiebündel lange nachdenken. „Muss ich mal nachdenken“ lächelt sie und dann fällt es ihr ein: „Vor ungefähr drei Jahren habe ich mir den Knöchel gebrochen – beim Golf.“ Und auch das Alter macht sich inzwischen bemerkbar: Ein paar Tage vor ihrem 100. Geburtstag hat sich Lieselotte Massberg-Stahl erstmals eine Brille zugelegt . . . Hans Staar